Immer mehr deutsche Golfer fahren in den Wintermonaten lieber in die Türkei als in die Algarve. Club-Präsident Wieland Wagner machte sich vor Ort selbst ein Bild und fand dabei Erstaunliches heraus.
„Ihr seid in der Algarve viel zu teuer geworden und bietet einen schlechten Service“, hört man immer wieder von Menschen, die das Spiel mit dem kleinen weißen Ball lieben. Auf der Suche nach einer Alternative sind nicht wenige zwischenzeitlich in der Türkei fündig geworden. Und ausnahmsweise waren es diesmal nicht die Engländer, sondern die Deutschen, die den Golfboom in der Türkei ausgelöst haben und bis heute maßgelblich dazu beitragen. Einige der Hotels werden bis zu 70 % von alemannischen Golftouristen belegt, aber auch die Zahl anderer Nationalitäten wächst ständig.
Der erste Platz in der Region Antalya, der National-Course, wurde 1994 gebaut und erinnert in vieler Hinsicht an Penina, den ältesten Platz in der Algarve. Das Greenfee beträgt € 90 (Penina € 110), das blasierte Bedienungspersonal ist aus unerfindlichen Gründen genauso unfreundlich und bei den € 4 für ein Bier (0,4 l) auf der Terrasse im Clubhaus könnte man fast an unerlaubte Preisabsprache glauben.
Überhaupt weist das Gebiet um Antalya viele Parallelen mit der Algarve auf. Das Klima ist im Winter ähnlich mild wie hierzulande, jedoch werden die 300 Kilometer Küste von über 1,6 Millionen Menschen bewohnt. Auch diese haben einen garantierten Netto-Mindestlohn von € 400 im Monat und verdienen im Schnitt so um die € 800. Selbst die Topographie ist vergleichbar. Nur dass die Region Antalya keinerlei Wasserprobleme hat, was nicht nur den zahlreichen Orangen- und Baumwollfeldern zugute kommt, sondern auch Diskussionen um die Umweltverträglichkeit von Golfplätzen gar nicht erst entstehen lässt.
Dennoch gibt es eine Reihe gravierender Unterschiede, vergleicht man beide Urlaubsregionen miteinander. So mancher, der sich in der Algarve bisher am Müll und Unrat rechts und links der Straßen störte, dürfte sich zurück von einem Türkeibesuch wie in der Zentralschweiz fühlen. Auf Besichtigungen der Städte Belek oder Antalya kann man getrost verzichten, außer, man hält den Kauf einer über Nacht handgeschneiderten und äußerst preiswerten Lederjacke für erstrebenswert. Die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz Antalya ist nicht nur laut, sondern auch schmutzig und hat soviel Charme, dass sich dagegen Städte, wie Armação de Pêra oder Quarteira, wie liebliche Fischerdörfchen ausnehmen. Es gibt so gut wie keine renovierten Gebäude, sondern entweder nur alte und verfallene Häuser, oder neue und ziemlich hässliche Hochhäuser.
Aber, diese türkische Region hat Zukunft. Die Sommersaison 2007 ist bereits so gut wie ausverkauft und für die Wintermonate setzt man verstärkt auf Golf. Momentan gibt es um Belek acht Golfplätze und bis Ende des Jahres sollen weitere sechs Plätze fertiggestellt sein. Große Namen, wie die Tourspieler Nick Faldo oder Colin Montgomery haben sich dort als Golfplatzarchitekten betätigt und sollen der Region damit die noch fehlende Exklusivität verleihen. Allein im Clubhaus vom Cornelia-Faldo-Platz (Greenfee € 99) wurde die stolze Summe von vier Millionen Euro verbaut. Aber auch die anderen, noch jungen Plätze, die Greenfees zwischen € 50 und € 60 verlangen, wirken gepflegt und stellen selbst für gute Golfer eine Herausforderung dar.
Gleichzeitig mit dem Bau neuer Golfplätze werden 4- und 5-Sterne-Hotels hochgezogen. Diese brauchen sich hinter gleichwertigen Hotels in der Algarve nicht zu verstecken, bieten den Gästen aber durch das „all inclusive-Konzept“ deutliche Preisvorteile. Nicht umsonst sieht man überall Trainingsgruppen von europäischen Nachwuchsgolfern und Fußballspielern. Allein im vergangenen Winter haben sich dort 2.200 Fußballclubs aus ganz Europa auf elf Fußballplätzen für die kommende Saison fit gemacht. Deutschen Urlaubern wird besonders entgegenkommen, dass sie sich in dieser türkischen Urlaubsregion fast immer in ihrer Muttersprache unterhalten können. Während man in der Algarve gut mit Englisch durchkommt, sprechen die Bediensteten dort fast alle Deutsch und sind dabei meist ausgesprochen freundlich. Wie sagte ein Mitarbeiter der regionalen Tourismusbehörde: „Wir nennen unsere Urlauber niemals Touristen oder Pax, sondern immer nur Gäste“.
Trotz vieler positiver Aspekte wird noch viel Wasser den Arade hinunter fließen, bevor die Türkei wirklich mit der Algarve konkurrieren kann. Denn wer mehr möchte, als nur möglichst billig Golf zu spielen und seine Abende in der Hotelbar zu verbringen, tut sich in der Türkei schwer. 40 Jahre Tourismus, gewachsene Infrastrukturen und eine europäische, kultivierte Lebensweise kann man nicht von heut auf morgen kompensieren. Aber darauf ausruhen sollte sich die Algarve besser nicht.
Wieland Wagner